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AutorenbildNina Payer

Hochsensibel im Alltag

Für hochsensible Menschen ist es eine wahre Herausforderung, ihr Leben und ihren Alltag im Einklang mit ihrer Hochsensibilität zu führen. Und diese Herausforderungen betreffen alle möglichen Alltagssituationen in allen Lebensbereichen. Dazu kommt, dass unsere sehr leistungsorientierte Gesellschaft leider überhaupt nicht für uns HSP gemacht zu sein scheint. Totale Reizüberflutung auf allen Ebenen ist heute normal. Zudem werden wir von Kindheit an dazu gebracht, uns anzupassen, lieber nicht negativ aufzufallen - und zu liefern, was von uns erwartet wird. Das fängt im Elternhaus an und geht über Schule und Ausbildung bis ins Erwachsenenleben hinein so weiter.


Wie Elaine Aron, die Pionierin in Sachen Hochsensibilitätsforschung, schon anmerkte, ist es ein grundlegendes Problem, dass HSP, besonders junge Erwachsene, ihr Persönlichkeitsmerkmal nicht ausreichend würdigen und versuchen, den Lebensstil von Nicht-HSP zu kopieren. Das kann durchaus eine Weile gutgehen - HSP können aufgrund ihrer hervorragenden Beobachtungsgabe andere gut imitieren - es braucht aber auf Dauer unglaublich viel Kraft und endet nicht selten im Burnout.


Opferrolle oder realistische Einschätzung?


Auf lange Sicht werden HSP nur dann Zufriedenheit und Gesundheit erreichen, wenn es ihnen gelingt, ihren Lebensstil auf ihre hochsensible Wesensart auszurichten. Das hat nichts damit zu tun, aufzugeben und sich in einer Opferrolle zu verstecken. Es nützt auf Dauer nichts, so zu tun, als wäre die Hochsensibilität nicht vorhanden - sie ist und bleibt Teil der Persönlichkeit eines HSPs. Wichtig ist an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Hochsensibilität nur ein Persönlichkeitsmerkmal von vielen ist und keinen Menschen komplett ausmacht! Außerdem besitzen gerade hochsensible Menschen besondere Stärken, die in unserer Gesellschaft sehr wichtig sind. Die große Herausforderung ist es also, sich selber besser kennenzulernen, herauszufinden, was man benötigt, um die eigene Lebensführung hochsensibel-gerecht zu gestalten und wie man die eigenen Stärken nutzen kann, um den (nur auf den ersten Blick) "Nachteil", der Hochsensibilität auszugleichen.



Was brauchst du, um dein Leben hochsensibel-gerecht zu gestalten?


  • Erweitere dein Wissen zum Thema "Hochsensibilität", denn dann wird dir immer mehr klar werden, wie wichtig es ist, deine speziellen Bedürfnisse zu registrieren, sie ernst zu nehmen und nach ihnen zu handeln.


  • Finde heraus, was dir wirklich guttut. Und was nicht. Und lerne zunehmend deinen eigenen Maßstäben zu vertrauen. Nur du weißt, was du brauchst und was für dich stimmig ist!


  • Gib den Versuch auf, so sein zu wollen, wie die Mehrheit. Das ist einfach nur ungeheuer anstrengend und wird auf Dauer nicht funktionieren.


Da HSP auch wahnsinnig gerne und viel reflektieren und überdenken, tun sich hier ganz neue Möglichkeiten und Perspektiven auf, was den Umgang mit sich selbst und anderen, den eigenen Lebensumständen und -gewohnheiten angeht. Möglicherweise lässt sich sogar der eigene Lebensentwurf nochmal überdenken.


Darfst du das denn?


Wenn HSP nach ihrem eigenen Tempo leben und ihren Lebens- und Arbeitsstil dementsprechend anpassen, kommt das nicht nur ihnen selbst zugute, sondern auch den anderen Menschen in ihrer Umgebung. Diese profitieren davon, wenn sensible Menschen sich wohlfühlen und so ihre Stärken besonders gut zur Geltung kommen können. Eine hochgradig erschöpfte Mutter kann weniger zum Wohl ihrer Familie beitragen, genauso wie die unter dem ständigen Lärmpegel leidende Mitarbeiterin im Großraumbüro nicht annähernd so leistungsfähig ist, wie wenn sie in einer ruhigeren Umgebung arbeiten würde.


Natürlich ist es nicht möglich, das ganze Leben komplett auf die eigene Hochsensibilität einzustellen. Dennoch lässt sich immer in fast allen Bereichen etwas verändern und verbessern, um den eigenen Bedürfnissen mehr gerecht zu werden. Langfristig gegen die eigene Natur zu leben, hat letztlich einen hohen Preis.


Die Frage ist hier: Wie können Veränderungen trotz möglicher Widerstände (in Familie, Beruf, vonseiten des inneren Kritikers) umgesetzt werden? Hier spielt auch das Thema Abgrenzung wieder eine große Rolle.


Wie sieht das in der Praxis aus?


  • Einen ruhigen Wohnort wählen oder sich zumindest in der Wohnung einen Rückzugbereich erschaffen, der für kleine Auszeiten und zum Allein-Sein genutzt wird.


  • Den Aufenthalt in vollen Innenstädten und Einkaufszentren so kurz wie möglich halten.


  • Menschenansammlungen nach Möglichkeit meiden (es sei denn, ein echtes Interesse treibt dich dorthin).


  • Entscheidung für einen Job, der die eigenen Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellt, nicht extrem stresst und ein überwiegend reizarmes Arbeitsumfeld bietet, mit ruhigeren Phasen, um konzentriert arbeiten zu können.


  • Aber auch genügend anregende Erlebnisse (die brauchen HSP nämlich auch unbedingt, weil sonst ganz schnell eine Unterreizung eintritt, die genauso anstrengend sein kann, wie eine Überreizung):

- Anspruchsvolle Aufgaben

- Inspirierende Begegnungen

- Nährende Beziehungen

- Teilnahme am gemeinschaftlichen Leben

- Rausgehen in die Welt; Neues entdecken und ausprobieren


All dies jedoch in der persönlich bevorzugten Art und Weise, im eigenen Tempo und in der individuell geeigneten Dosierung.


Das große Ziel: Ein Leben in Balance


Im Idealfall lernen HSP mit der Zeit, wie sie immer erfahrener im Umgang mit den eigenen Schwachpunkten und Bedürfnissen werden und bei drohender Überstimulierung rechtzeitig gegensteuern können.


Hierbei ist es anfangs vielleicht herausfordernd, eine gute Balance zwischen 'Rückzug, Erholung und Allein-Sein' und 'Aktivität und Beschäftigung mit der Außenwelt' zu finden. Regelmäßiges Hineinspüren in den eigenen Körper kann hier sehr hilfreich sein. Diese Verbindung haben wir leider viel zu häufig bereits in Kindertagen gekappt, um uns an die nicht-sensible Außenwelt anzupassen. Es ist aber möglich, sich wieder spüren zu lernen und somit wieder schneller auf die eigenen Bedürfnisse und Grenzen reagieren zu könne


Aktiv zu werden und in die Handlung zu kommen, ist hierbei das Wichtigste!


Hochsensibel, aber dennoch ein soziales Wesen


Hochsensibilität darf auf keinen Fall dazu führen, dass Menschen sich in Isolation begeben. Denn auch HSP sind von Natur aus soziale Wesen und brauchen regelmäßige soziale Kontakte. Neben den Kontakten zur Familie und Beziehungen zu etwaigen Lebenspartnern sind es Freundschaften, die für emotionale Stabilität sorgen.


Auch hier ist es wieder möglich, darauf zu achten, in welcher Art und Weise und in welcher Dosierung möchtest du deine sozialen Beziehungen leben und dies auch offen zu kommunizieren (auch um Missverständnissen vorzubeugen).


Angelehnt an die Quelle: "Hochsensible Menschen im Coaching" von Ulrike Hensel. Junfermann Verlag, 2015

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